Impuls 2021-03

Charlotte Hagmüller

Jesus antwortete: „Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“ (Lk. 19/40)

Ich sehe Steine vor mir und höre ---- natürlich NICHTS! Und doch könnten sie viel erzählen: von ihrer persönlichen Geschichte; ihrer Herkunft; ihren persönlichen Erfahrungen mit Wasser, Wind, Geschwindigkeit und den anderen Steinen; von Geschliffen-Werden und Veränderung. Wenn sie könnten, könnten sie viel erzählen. Also echt: Ich „höre“ von den stummen und stillen Steinen sehr viel. Aber es ist wohl nicht das, was Jesus  meinte.

Lukas erzählt, dass die Jünger und Jüngerinnen, die Jesus als den im Namen des Höchsten kommenden Königs lauthals segnend grüßen. Und der Grund dafür wird uns in Vers 37 genannt: Sie hatten mächtige Taten - durch Jesus geschehen -gesehen. Die konkordante Übersetzung spricht von Wahrnehmen. Wahrnehmen, das kann eigentlich jeder Mensch. Und doch gibt es vieles, das die einen wahrnehmen und die anderen nicht. Wahrnehmung ist eine höchst persönliche Sache. Die Schar um Jesus hatte in seinen Taten Gott persönlich wahrgenommen. Die Schar der Pharisäer nahm Jesu Überheblichkeit, Anmaßung und Gotteslästerung wahr.  Zwei völlig unterschiedliche Wahrnehmungen, die natürlich zu völlig unterschiedlichen Reaktionen führen mussten. Die Jüngerschar preist Jesus. Die Pharisäerschar sucht einen Weg, Jesus loszuwerden. Und Jesus? Er antwortet mit eben diesem Satz: „… dann werden es die Steine schreien!“ Jesus geht davon aus, dass die Wahrheit verkündigt werden muss, und sei es von sprachlosen Steinen. Aber sie wird gesagt.

Nicht viel später heißt es von Jesus, dass er weint, weil Jerusalem nicht wahrnimmt, was zu seinem Heil dient. Es gibt keine Schuldzuweisung, keine Verurteilung. Er weint. Vielleicht sind Tränen das Mittel, um Verhärtetes aufzuweichen. Vielleicht kann Liebe Scheuklappen durchsichtig machen.

Ich will beten mit den Worten von Philipp Spitta (1827/1833, EG 136): „O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein. Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.“ Amen.