Impuls 2024-07 Unrecht

Brigitte Zachrau

 „Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“
(2. Mose 23, 2)

Dieser Vers ist Teil der Sammlung von Geboten und Gesetzen, die die Gerechtigkeit und Nächstenliebe im Alltag regeln sollen. Es heißt nicht: „Versucht es!“ oder „Bitte unterlasst es!“, sondern „Du sollst nicht!“ Da stellen sich bei den meisten Menschen gleich die Nackenhaare auf…

Mose verkündet dem Volk während des Auszugs aus der Sklaverei in Ägypten neue Gesetze, die Anbetung und Gottesdienste, also das geistliche Leben betreffen und regeln, aber genauso detailliert alle Regeln und Gebote für das Leben der Menschen untereinander. Auf dem endlos scheinenden Fluchtweg werden sie von Hunger, Durst und Kraftlosigkeit begleitet, die in Protest und Aufruhr enden. Mose hat es nicht leicht als Begleiter des Volkes. Es ist ihm wenig dankbar und vergisst die großartigen Wunder (Durchzug durch das Schilfmeer, Mannaspeisung, Wasser aus dem Felsen), protestiert und sucht andere Götter. Sie schließen sich der Mehrheit an, die im Unrecht ist.

Mir ist der Bibeltext sehr nahe. Auch wir haben vor 30 Jahren Wunder erleben dürfen: Volle Kirchen, flehende Gebete, Kerzen und Lieder hatten durch Gottes Beistand eine so große Kraft, dass bis zu den Zähnen bewaffnete Uniformierte aufgegeben haben. Welch ein Wunder! Ohne Blutvergießen konnte die Regierung ausgewechselt werden und das Land vereint! Und heute?  Protest und Aufruhr, Mehrheiten - ob rechts, ob links – haben Zulauf und mittendrin wird das neue Goldene Kalb angebetet. So bleibt uns, die wir uns der Mehrheit, die im Unrecht ist, nicht anschließen wollen, nur zu bitten um Gottes Segen für alle Welt.

Segen für Allewelt

Im Übrigen meine ich, dass Gott, unser Herr, das Geschrei aus der Welt nimmt und Stille verordnet. Dazu gehört, dass er den Kriegern das Handwerk aus den Händen nimmt und denen, die ohne Arbeit sind, die Hoffnungslosigkeit und die Mächtigen nicht zu Mafiosi werden lässt. Alle können wir daran mittun und daran arbeiten, dass das Leben langsamer verläuft, dass die Welt alle Aufregung verliert und die Menschen sich länger ansehen können, um sich zu sagen: Wir lieben euch! Gott, unser Herr, möge diese Stille segnen. Möge diese Stille denen überall in die Ohren blasen, die unsere Zeit noch schneller machen möchten und damit noch kürzer und noch atemloser. Gott, unser Herr, wir bitten dich: Mach es! Auf dass unser Herz wieder Luft schnappen kann, unser Auge aufhört zu zappeln und unser Ohr wieder richtig hört und nicht alles vergisst. Denen, die uns alles austreiben möchten, möge der Herr einen Blitz ins Gesäß jagen, damit sie ihr unmenschliches Tun einsehen und die Menschen seines Wohlgefallens in Ruhe lassen, im wahrhaftigsten Sinn dieses Wortes: in Ruhe lassen! Und wir wollen unseren Herrgott abermals bitten, dieses Ansinnen von uns überall zu segnen. Und weil es sein muss sofort und immerdar! Danke und Amen.

Quelle: Hanns Dieter Hüsch, Das kleine Buch zum Segen, Düsseldorf, 3. Auflage 1999.